Die Namensgeberin

Bertha von Suttner an ihrem Schreibtisch

Die Namensgeberin: Bertha von Suttner

Eine kurze Biographie der Bertha von Suttner (1843-1914)
(Pseudonyme: B. Oulot, Jemand)

Geboren als Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau in Prag, gehörte sie zum böhmischen Adel und verbrachte die erste Hälfte ihres Lebens standesgemäß: mit Lesen, Sprachenlernen, Musikunterricht, auf Bällen und Empfängen und bei Versuchen, vorteilhaft „unter die Haube“ zu kommen. Nachdem diese Versuche gescheitert waren und ihre Mutter das Vermögen der Familie am Spieltisch durchgebracht hatte, nahm sie, dreißigjährig und nach einer abgebrochenen Ausbildung als Sängerin, eine Stelle als Gouvernante im Haus des Barons Carl von Suttner in Wien an. Dort arbeitete sie von 1873 bis 1876.

Es kam vor, dass die Söhne solcher Familien mit dem weiblichen Dienstpersonal anbandelten. Hier war es umgekehrt: Bertha begann eine Beziehung mit dem sieben Jahre jüngeren Sohn des Barons, Arthur. Die Familie entließ sie daraufhin, verschaffte ihr aber eine Stelle als Privatsekretärin in Paris bei Alfred Nobel. Schon nach zwei Wochen wurde Nobel jedoch nach Schweden abberufen und Bertha kehrte nach Wien zurück. Noch 1976 heirateten Bertha und Arthur. Arthur wurde enterbt und das Paar zog für neun Jahre auf Einladung einer Freundin von Berthas Mutter nach Georgien. Dort arbeiteten beide journalistisch und schriftstellerisch: Arthur mit Texten über den Alltag im Kaukasus oder Berichten über den Russisch-Osmanischen Krieg, Bertha mit Übersetzungen, Kurzgeschichten und seichten Liebesromanen. Sie stand dadurch wirtschaftlich auf eigenen Füßen. Nebenbei beschäftigte sie sich intensiv mit Philosophie, soziologischen Schriften und der Literatur des Realismus. Das Haus in Tbilissi, in dem die Suttners eine Zeitlang wohnten, kennt man noch. Dort wollen Aktivisten heute ein Friedenszentrum einrichten.

1885 kehrten die beiden nach Österreich zurück und söhnten sich mit Arthurs Familie aus. Bertha wandelte sich nun mehr und mehr zur politischen Journalistin und Schriftstellerin. Schon in Georgien war sie zur Überzeugung gelangt, dass der Krieg gegen die menschliche Natur sei. Die Menschheit strebe zum Besseren. Auch aus psychologischer Sicht sei der Krieg nicht notwendig. In Technik, Kunst, Wissenschaft, Wohltätigkeit: Überall winken dem Ehrgeiz schönere Ziele als auf den Schlachtfeldern“, heißt es in ihrem Roman „Inventarium einer Seele“ von 1883. Mit diesen humanistischen Auffassungen lag sie quer zu dem allgegenwärtigen Militarismus ihrer Zeit. Selbst „gekrönte Häupter“ ließen sich vorzugsweise in Uniformen sehen, die Armeen wurden ausgebaut und der Erste Weltkrieg lag bereits in der Luft. Diese Auffassungen hinderten Bertha von Suttner allerdings auch daran, den Krieg als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele zu verstehen.

Damit aber nicht genug an Opposition zum Zeitgeist und Brechen von Tabus: In zahlreichen Schriften kritisierte Bertha von Suttner das veraltete Bildungswesen in Österreich, den Antisemitismus und die Diskriminierung der Frau. Sie wandte sich gegen Tierversuche und war Mitglied eines Vereins für Feuerbestattung. Im Winter 1886-87 traf sie Alfred Nobel wieder. Er hegte große Sympathien für die sich entwickelnde Friedensbewegung. Sein Traum war, einen Stoff oder eine Maschine zu erfinden, die so fürchterlich wären, dass sie der Menschheit für alle Zeit die Kriegslust austreiben würden. Einige Jahre später sollte er den Friedensnobelpreis stiften.

Bertha von Suttner machte inzwischen den Friedensgedanken durch ihre Schriften weiter populär. 1889 erschien ihr Roman „Die Waffen nieder!“, der fiktive Lebensbericht einer Adligen über die Gräuel der Kriege ihres Jahrhunderts und die persönlichen Verluste, die sie ihr zugefügt hatten. Ihre Darstellung war so eindringlich, dass viele den Roman für autobiographisch hielten. Mehrere Verlage weigerten sich, ihn zu veröffentlichen. Schließlich kam er heraus und wurde zum Welterfolg. Der russische Schriftsteller und Humanist Lew Tolstoi schrieb ihr, er hoffe, dieses Buch werde die Abschaffung des Krieges bewirken. Im österreichischen Reichsrat argumentierte der Finanzminister mit Suttners Buch gegen weitere Rüstungsausgaben. Die deutschen Sozialdemokraten druckten „Die Waffen nieder!“ als Fortsetzungsroman in ihrer Zeitung „Vorwärts“ ab.

Bertha von Suttner war nun berühmt und wurde zu Vorträgen und Kongressen eingeladen. Auf dem 3. Internationalen Friedenskongress 1891 in Rom wurde sie zur Vizepräsidentin des Internationalen Friedensbüros gewählt. Ein Kontakt zur „International Arbitration and Peace Association of Great Britain and Ireland“ brachte sie auf die Idee, in Österreich eine Friedensgesellschaft zu gründen. Ihr Aufruf wurde gehört: Die „Österreichische Gesellschaft der Friedensfreunde“ entstand noch 1891. Diese Gesellschaft verstand sich als unpolitisch und rein humanitär. Die soziale Basis ihrer Gründer war der liberale Adel. Trotzdem war sie das Vorbild für die Gründung weiterer Friedensgesellschaften.

Die Gründung in Deutschland ließ sich schwerer an: Die Kriege der letzten Jahrzehnte waren für Deutschland überwiegend siegreich gewesen, der junge Kaiser strebte zu neuem militärischen Ruhm und selbst Dichter wie Rainer Maria Rilke glaubten, mit unverkennbarem Bezug auf Suttners Roman, dem Militarismus das Wort reden zu müssen: „Es galt den edlen Männern aller Zeiten / Als ihres Strebens schönster, höchster Lohn / Fürs Vaterland zu kämpfen und zu streiten / (…) / Doch heute sind verhallt die Kampfeslieder / Herein bricht eine neue, feige Zeit / Erbärmlich murmeln sie ‚Die Waffen nieder‘ / Genug, genug, wir wollen keinen Streit.“ Die interessierten Reichstagsabgeordneten befürchteten organisatorische Nachteile für ihr eigenes Projekt, das gerade eingerichtete „Deutsche parlamentarische Komitee für Schiedsgericht und Frieden“. Die bisherigen deutschen Friedensvereine waren verboten worden oder hatten sich selbst aufgelöst. Nur der Friedensverein in Frankfurt am Main – auch er wurde polizeilich überwacht – und die internationale Friedensbewegung konnten Bertha von Suttner und ihren deutschen Mitstreiter Alfred Hermann Fried unterstützen. Gegen alle Widerstände gelang dennoch 1892 die Gründung – in Berlin, auf einem Bankett der Presse im Hotel Kaiserhof, dem „ersten Haus am Platze“. Diese Gesellschaft existiert noch und heißt heute, nach mehreren Fusionen, „Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK)“.

In den Folgejahren entfalteten Bertha von Suttner und Alfred Hermann Fried um diese Gesellschaft herum eine rege Publikationstätigkeit. Beide gaben 1892-1899 die Monatszeitschrift „Die Waffen nieder! Monatsschrift zur Förderung der Friedens-Idee“ heraus. Suttner schrieb 1906-1914 in Frieds Monatszeitschrift „Die Friedens-Warte“ Analysen aktueller Entwicklungen in der Gesellschaft und warnte vor einem kommenden großen Krieg. Daneben war sie weiterhin international für ihr Anliegen unterwegs. 1899 gestaltete sie die Erste Haager Friedenskonferenz mit, die auf Initiative des russischen Zaren einberufen worden war. Von der Konferenz gingen erste Impulse für Abrüstung und die Schaffung internationaler Einrichtungen zur Konfliktschlichtung aus. Bertha von Suttner war allerdings auch dem Vorwurf ausgesetzt, politisch wenig geschult zu sein, weil sie dem keineswegs friedlichen zaristischen Regime gegenüber „Speichelleckerei“ betrieben habe. Hier zeigte sich, dass die Friedensbewegung zu differenzieren begann und neben Suttners Auffassungen auch solche Verbreitung fanden, die den Weg zum Frieden mit einer Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse verknüpften.

1902 starb Arthur von Suttner. Das Gut des Paares in Niederösterreich musste wegen Überschuldung versteigert werden. Bertha setzte ihre Aktivitäten von Wien aus fort. Ihre internationale Bekanntheit wuchs weiter. 1904 reiste sie nach ihrem Besuch des Weltfriedenskongresses in Boston sieben Monate lang mit Vorträgen durch die USA. Im selben Jahr nahm sie an der Internationalen Frauenkonferenz in Berlin teil, lehnte es jedoch zugunsten einer von ihr verehrten Frauenrechtlerin ab, Präsidentin des Weltbundes der Frauen zu werden. Immerhin war sie auch in dieser Bewegung gut vernetzt und kenntnisreich tätig.

1905 wurde Bertha von Suttner, als erster Frau, der Friedensnobelpreis verliehen. In ihrer Rede an das Nobelpreiskomitee machte sie deutlich, was ihrer Meinung nach für die Sicherung des Friedens dringend gebraucht wurde: Schiedsgerichtsverträge für die Beilegung von Konflikten, eine Friedensunion aller Staaten und ein Gerichtshof, der Völkerrecht sprechen sollte. Die Forderung nach funktionierenden Einrichtungen dieser Art ist auch heute noch aktuell.

Suttners gesammelte Werke füllten inzwischen zwölf Bände und sie fuhr fort, zu schreiben, zu reisen und Menschen für die Friedensbewegung zu gewinnen, nicht zuletzt hochrangige Politiker und andere Prominente. 1910 meldete sie sich bei ihrer Namensvetterin Bertha Krupp und versuchte erfolglos, ihr zu erklären, dass, wie Alfred Nobel als Erfinder des Dynamits, auch sie als „Kanonenkönigin“ Großes für den Frieden tun könne. Der Gedanke kam nicht von ungefähr: Suttner befürchtete, die technischen Errungenschaften ihrer Zeit könnten für neue Waffensysteme genutzt werden. So sah sie beispielsweise in ihrem Roman „Der Menschheit Hochgedanken“ von 1911 unter dem Eindruck der Forschungen zum Radium („Damit ist eine Machtfülle in unsere Hand gegeben, für die uns noch das Fassungsvermögen fehlt“) die Entwicklung der Atombombe voraus. 1912 agitierte sie gegen die Bewaffnung von Luftfahrzeugen.

Ebenfalls 1912, mit fast siebzig Jahren, begab sich Bertha von Suttner auf eine zweite Vortragsreise durch die USA. In mehr als 50 Städten hielt sie Vorträge über die brisante Lage in Europa. 1913 konnte sie noch die Verfilmung ihres Romans „Die Waffen nieder!“ erleben. Im Juni 1914 starb sie an einem Krebsleiden. Statt einer Friedenskonferenz in Wien, die sie für August vorbereitet hatte, begann im Juli der Erste Weltkrieg.

Die Frau, über die Carl von Ossietzky später sagte: „Sie kämpfte mit Weihwasser gegen Kanonen, sie adorierte mit rührender Kindlichkeit Verträge und Institutionen, eine Priesterin des Gemüts, die den Königen und Staatsmännern ins Gewissen redete und die halbe Aufgabe als gelöst ansah, wenn sie freundlicher Zustimmung begegnete“, hatte sich in den letzten Monaten vor dem Krieg klarsichtig über die Potenziale von politischen Kräften geäußert, die früher in ihrem Standesdenken gar keinen Platz gehabt hatten. Sie ließ Sympathien für Rosa Luxemburg erkennen und schrieb noch im Mai: „Die Einzigen – weil sie auch eine Macht sind – , auf die man hoffen kann, dass sie den Massenkrieg abwenden, sind die Sozialdemokraten.“ Dass die Geschichte anders verlief, ist ihr nicht anzulasten. Sie hatte ihr Leben lang für den Frieden getan, was sie konnte.

Zur Aktualität Bertha von Suttners

Die Grundgedanken und Forderungen der Bertha von Suttner waren: Friedliche Beilegung von Streitigkeiten auf der Grundlage eines Völkerrechts; und die allgemeine Abrüstung aller Staaten.

Die Idee der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten ist seit 1945 in der Charta der Vereinten Nationen und im Statut des Internationalen Gerichtshofes konkretisiert und in Normen gegossen.

Dem „Grundgesetz der Staatenwelt“ wurde freilich von Anfang an zuwider gehandelt – mächtige imperialistische und damals noch kolonialistische Staaten haben immer wieder ihre Militärmacht zur Durchsetzung ihrer Interessen eingesetzt.

Die Charta der Vereinten Nationen kann die mächtigen Staaten und ihre Regierungen nicht dazu bringen, das Völkerrecht zu respektieren. Das ist und bleibt die Aufgabe der BürgerInnen, ihre Regierungen zur Einhaltung des Völkerrechts und vor allem zur Berücksichtigung des Gewaltverbots in den internationalen Beziehungen zu zwingen.

Wie in den Büchern und Reden von Bertha von Suttner ist in der Charta der Vereinten Nationen der Gedanke des Rechts verbunden mit der Vorstellung einer allgemeinen Rüstungsregulierung und einer allgemeinen Abrüstung. Durch ein System der Rüstungsregulierung, so im Art 26 UNCh, solle erreicht werden, dass möglichst wenig Ressourcen der Welt für Militär verschwendet würden.

Der Gedanke einer allgemeinen und vollständigen Abrüstung war nach dem Zweiten Weltkrieg bis Ende der fünfziger Jahre noch von großer Bedeutung. In einer Vielzahl von Tagungen und Konferenzen wurden Konzepte und Entwürfe für einen Vertrag über allgemeine und vollständige Abrüstung verhandelt. Heute jedoch ist in der Realpolitik der Staatenwelt und im egoistisch und pragmatisch formierten Zeitgeist kein Platz mehr für solche Utopien.

Die Bertha-von-Suttner-Stiftung will durch ihre Projektförderung Menschen motivieren und qualifizieren, die sich für Abrüstung, Gewaltfreiheit und zivile Konfliktbearbeitung einsetzten.

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