Trauer um einen tatkräftigen Pazifisten

Langjähriger Vorsitzender Heiner Häberlein gestorben

Dieser Beitrag ist erschienen in der ZivilCourage 1/2021

Heiner Häberlein, ehemals DFG-VK-Bundesvorstandsmitglied und bayerischer Landesvorsitzender, ist im Alter von 71 Jahren im November 2020 gestorben

Von Harald Will

Heiner Häberlein (1949 – 2020)

August 1968. In der Tschechoslowakei sind Truppen des Warschauer Paktes einmarschiert. Auf den Straßen stellen sich unbewaffnete Menschen den Panzern der Invasoren entgegen. 

In Prag beobachtet das ein junger Mann aus Nürnberg: Heinrich „Heiner“ Häberlein, 19 Jahre alt. Er ist auf der Suche nach seinen Eltern, die in der CSSR unterwegs und nicht zur vereinbarten Zeit nach Hause zurückgekehrt sind. Was Heiner in Prag sieht, den gewaltfreien Widerstand gegen eine militärische Aggression, das beeindruckt ihn tief. Es prägt ihn für sein weiteres Leben, wie er später erzählt. Ein Leben, in dem er sich mit all seiner Energie für Frieden und Völkerverständigung einsetzen wird.

Schon 1967 hat Heiner, der zu dieser Zeit als Feinmechaniker arbeitet und die Berufsaufbauschule besucht, den Kriegsdienst verweigert. Er ist aktiv bei der evangelischen Jugend in Nürnberg und macht dort unter anderem KDV-Beratung. Die Kriegsdienstverweigerung ist für ihn nicht nur eine individuelle Entscheidung. „Es wurde mir klar“, sagt er später einmal, „dass ich von Gewaltverzicht, Frieden ohne Abschreckung und Gewaltandrohung … nicht nur reden kann, sondern dass ich dazu zusammen mit anderen etwas tun muss, um diese Ziele zu erreichen.“ 

1969 tritt Heiner der DFG-IdK (Deutsche Friedensgesellschaft – Internationale der Kriegsdienstgegner) bei. Bereits drei Jahre später wird er in den Bundesvorstand gewählt und ist verantwortlich für den Arbeitsbereich, der die Fusion mit dem VK (Verband der Kriegsdienstverweigerer) zur DFG-VK vorbereitet. Parallel zu seinem politischen Engagement beginnt Heiner ein Studium für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen, das er mit dem Staatsexamen abschließt. Lehrer kann er allerdings zunächst nicht werden. Den bayerischen Behörden gilt die DFG-VK als „kommunistisch beeinflusst“; deshalb verweigern sie Heiner den Eintritt in den Schuldienst. Es dauert sechs Jahre, bis er sich juristisch die Einstellung als Lehrer erkämpft hat.

1975 wird Heiner zum Vorsitzenden der DFG-VK Bayern gewählt. Er bleibt 13 Jahre lang an der Spitze des Landesverbandes. Auch auf Bundesebene ist er wieder aktiv: 1979 übernimmt er im Bundesvorstand das Referat KDV, er ist Initiator der bundesweiten Aktion „Verweigert alle Kriegsdienste“ und arbeitet mit an der Kampagne „Atomwaffenfreie Städte und Gemeinden“. Die Aktiven des bayerischen Landesverbands und jene, die mit ihm auf Bundesebene zu tun haben, schätzen Heiner – auch wegen seiner Tatkraft. Er ist ein unermüdlicher Arbeiter, der Sitzungen akribisch vorbereitet und in der Öffentlichkeit beredt für die Sache des Pazifismus eintritt. Zugleich erleben ihn alle als einen Menschen, der trotz aller Hartnäckigkeit nicht verbissen, sondern locker wirkt und der anderen zugewandt ist.

Besonders wichtig ist Heiner die internationale Zusammenarbeit. So knüpft er intensive Kontakte zu Friedensgruppen in der Tschechoslowakei. 1983 organisiert er auf Bitte des Koordinationsausschusses der Friedensbewegung die erste Reise einer bundesdeutschen Delegation in die CSSR. 1986 wird er Koordinator der blockübergreifenden Aktion „Olof-Palme-Friedensmarsch für einen atomwaffenfreien Korridor in Mitteleuropa“. 

Nach 1989 zieht sich Heiner von Funktionen in der DFG-VK weitgehend zurück – abgesehen vom Amt des Stiftungsratsvorsitzenden der Bertha-von-Suttner-Stiftung der DFG-VK, das er 2015 für vier Jahre übernimmt. Er konzentriert sich auf seine pädagogische Arbeit und darauf, Begegnungen von deutschen und tschechischen Schülerinnen und Schülern zu organisieren. Im Jahr 2000 erhält Heiner den bayerischen Friedenspreis der DFG-VK zuerkannt. In seiner Dankesrede sagt er: „Wahrscheinlich bin ich ein unverbesserlicher Optimist, wenn ich die Vision habe, dass es vielleicht langfristig doch gelingt, Armeen überflüssig zu machen und sie eines Tages abzuschaffen“. Das, so Heiner, sei noch Utopie, aber man dürfe sich davon nicht beirren lassen. Die Forderung Bertha von Suttners „Die Waffen nieder!“ gelte nach wie vor: „Das bleibt erstes Ziel!“ 

Heiner selbst kann es nun leider nicht mehr verfolgen; am 13. November 2020 ist er mit 71 Jahren überraschend in Nürnberg gestorben. 

Harald Will ist aktiv in der DFG-VK-Gruppe München und kannte Heiner Häberlein jahrzehntelang.